„Was bleibt mir denn übrig?“ – „Nicht viel und deshalb nur eins.“
Du musst aufpassen
Es ist ein schleichender Prozess.
Es beginnt ganz harmlos.
Und steigert sich.
Bis alles anders ist als gedacht.
Und nur noch ein mattblinder Nebel deine einst leuchtenden Dollar-Augen umwölkt.
Du fühlst dich ausgenutzt, missverstanden; wie ein amateurhafter Johnny-Depp über den Tisch gezogen.
Wie konnte es so weit kommen?
Du hättest aufpassen sollen (ich hab´s dir gesagt).
Du hast es vermasselt
Jep, und vor allem hast du etwas verwechselt.
Doch nun, wo deine einst gigantomanisch anmutende, grandiose Gala-Gage geschreddert und zerfleddert, wehr- und glanzlos vor dir liegt, abgenagt wie ein Hyänen-Snack in der Serengeti, ist es zu spät.
Aber zum Glück nur für den Moment.
Du kannst es besser machen, das nächste Mal, jederzeit.
Du bist Künstler. Selbstverständlich. Gut!
Aber du warst blind vor lauter Künstlersehnsucht.
Sehnsucht danach, dich auszudrücken, in Erscheinung zu treten, zu musizieren, zu konzertieren, zu improvisieren, zu komponieren, zu solieren…
Sehnsucht nach einer Bühne, einem Podium für dich und das, was du liebst; einem Forum, dem du das Ergebnis deiner harten Arbeit, deine Expertise, dein Wachstum präsentieren kannst; einem wertschätzenden Publikum, dem du deine Seele öffnest.
Das willst du, das brauchst du so sehr.
Auch gut.
Nur jetzt nicht.
Nur hier nicht.
Weil…, du wirst es nicht gerne hören, aber:
Das alles interessiert bei einem Job wie diesem keine müde Sau
Hier bist du die Bio-Jukebox, ein Kostenfaktor, Ambiente. Und es ist grad wurscht, ob es du oder jemand anders macht.
Der nimmermüde Klangforscher, der sich mit rasiermesserscharfer Machete, geschmiedet aus Beharrlichkeit, eisernem Willen und unstillbarer Neugier, unbeirrbar seinen Weg durch einen Dschungel aus Tensions und Chromatic Approaches, Bebop-Scales und Upper Structure-Dreiklängen, Bird Blues und Coltrane Changes, „4 gegen 3“ und „Werder gegen Gladbach“ bahnt, der selbst komponiert, Killer-Songs und -Texte am Start hat, also so einer wie du, er gilt hier: exakt gar nichts.
Es könnte auch überhaupt nichts sein, da will ich mich nicht festlegen.
Denn dies ist die Welt, wo dich 19-jährige Team-Assistentinnen im Businesskostüm mit Blick auf´s Clipboard / Tablet (aufgeregt, denn sie sind in charge) instruieren:
„Ok. Also Sie sind bitte ab 20:35 stand by, um 20:57 dann einen Titel zum Start, eher so was Flottes, bis 21:00, ok?. Ok. Dann kommt die Begrüßung durch Herrn Dr. Müller-Bregwitz bis 21:07, danach dann 3 Titel, aber nicht so laut, weil die Leute fangen da an zu essen, ok? Ok. Zwischen Vorspeise und Hauptgang haben Sie Pause, da können Sie dann auch was essen oder trinken, wenn Sie wollen, weil da in die Lücke rein kommt dann der Feuerschlucker…, oder, Moment… (raschel, raschel bzw. swipe, swipe), nein, erst die Limbo-Show, der Feuerschlucker kommt nach der ersten Tanzrunde, aber die beginnt ja dann erst ab 23:25, ok? Ok. Und Sie denken daran, dass Sie für die Limbo-Show Ihre Instrumente kurz zur Seite räumen müssen? Hatten wir am Telefon schon besprochen, ja? Ok?“
Ok.
Jetzt dämmert es, oder?
Genau: Du verhandelst nicht über ein Konzert.
Du verhandelst über eine musikalische Dienstleistung.
Willkommen im Reich der Kommerz-Gigs aller Art
Hallo
- Gala- und Showbands landauf, landab
- Golfclub- und Kreuzfahrt-Musikanten auf den Grüns und Meeren dieser Welt
- TV-Jingle-Bands und Daily-Soap-Komponisten von ARD bis MDR
- Alleinunterhalter und Elvis Impersonators, wo immer ihr seid
- Stehgeiger und Background-Pianisten in der Villa am Starnberger See (bei der Geburtstags-Party von Privatklinikchef Prof. Dr. von Weitem)
Servus
- Hochzeits- und Barpiano-Jobs
- Vernissagen- und Kaufhaus-Gigs
- Oktoberfest- und Bierzelt-Engagements
Ein herzliches „Grüß Gott“ allen
- Firmen- und Weihnachtsfeiern
- Messen und Trauungen
- Silvesterpartys und Empfängen
- Brasil- und Gourmet-Shows
- Floßfahrten und …
Und wo ist das Problem?
Mit den Jobs: kein Problem.
Wo dann?
Dort, wo deine Künstlerseele statt ein*e Geschäftsmann*frau über eine Dienstleistung verhandelt.
Hallo! Ein bisschen weniger verzärteltes Künstler-Weichei, ein bisschen mehr „Wolf of Wall Street“ ist angesagt, wenn du hier mitmischen willst.
Denn allzu oft geschieht das hier:
Da hast du also eine gute bis sehr gute Gage für deinen Kommerz-Gig ausgehandelt, bravo, das ist ein wunderbarer Start.
Doch das Böse ist immer und überall
Ein paar Tage später meldet sich nämlich der Veranstalter, z. B. mit etwas wie:
- 3 Tanten, 2 Neffen und die beste Freundin der Braut wollen als Überraschungs-Darbietung eine lustig umgedichtete Arie aus einer Verdi-Oper („Davon haben wir Noten aus dem Internet, alles super aufgeschrieben“) und 2 Popsongs („Da haben wir nichts, aber das gibt’s auf YouTube und ist alles ganz einfach, kennen Sie eh“) zum Besten geben.
„Ich denke, das können Sie doch bestimmt mit übernehmen, wo wir schon einen so tollen Pianisten wie Sie vor Ort haben.“ (Schmeichel, schmeichel…) - „Es wäre schön, wenn der Pianist auch schon zum Empfang spielt, also wenn die Leute rein kommen. Die Band fängt dann wie vereinbart eine Stunde später mit der Dinnermusik an.“
- „Der DJ lässt fragen, ob er eure Anlage mit benutzen darf. Bei seiner ist die Endstufe kaputt, er bekommt sie so schnell nicht repariert.“ (Ihr seid bis 0:30 gebucht, der DJ bis 3:00, ihr müsstet also so lange mit dem Abbauen warten.)
- „Bei der Trauung in der Kirche kann doch sicher ihr Pianist auch die 4 Kirchenlieder begleiten, dann müssen wir nicht extra den Organisten dazu buchen, hier sind schon mal die Lieder: Nun danket alle Gott, … … …“
Ja, so danket ihm… - Nach dem letzten Set. Brautvater, leicht alkoholisiert: „Mei, supa, Bursch´n, supa Band – obwohl: Am Schluss seid´s a bissl in´n Jazz nei kemma, aber wurschd. Auf jeden Fall gebt´s jetzt no amoi so richtig Vollgas, gell.“
Weil: Es wäre ja erst Viertel nach Eins, erst jetzt würde es so richtig gemütlich („griabig“) und überhaupt wären ja auch noch so viele Gäste da. - Showtime ist 21:00. Per Email die Mitteilung: „Der Aufbau für die Band wurde aus organisatorischen Gründen von der Messeleitung von 17:00 auf 11:00 vorverlegt. Sonst bleibt alles wie besprochen.“
- „Warten Sie, ich schau mal… Also, Fahrtkosten und Übernachtungsspesen für die Musik sind hier jetzt eigentlich in der Kalkulation nicht vorgesehen.“ (Der Spielort liegt 375 km entfernt, Aufbau und Showtime s. o.)
- „Was, ihr habt einen Sänger? Herr Blaschke hat gesagt, er möchte unbedingt eine Sängerin. Na ja, das ist dann natürlich auch doof für euren Sänger, nicht? Vielleicht könntet ihr ja einfach zusätzlich eine Sängerin dabei haben, wie wär denn das?“
Bestimmt super… - „Ich hab jetzt doch noch mal nachgefragt: Also für die Gage von eurem Gospeltrio haben wir hier letztes Jahr einen ganzen suuuper Gospelchor bei uns in der Kirche gehabt, die haben ganz schön losgefetzt…“
- „Was? Dann kostet die Band ja mehr als der DJ!“
So, das muss reichen. Ist alles so oder ganz ähnlich passiert (und ich wette, nicht nur in meinem Umfeld).
Was haben diese Wendungen gemeinsam?
Na klar: Bei jeder einzelnen muss dein Business-Buzzer anspringen und dich – mööp, mööp, mööp – vor drohender Gagen-und Selbstrespekts-Erosion warnen.
Denn wenn du dazu immer nur Ja und Amen sagst und nicht nachverhandelst bzw. bestimmte Dinge nicht schon im Vorfeld vertraglich regelst, bedeutet das alles entweder einen erheblichen unvergüteten Mehraufwand, oder es bedeutet das Gewähren durch nichts gerechtfertigter Rabatte.
Rabatte, die nicht, wie üblich, du als Verkäufer, sondern – ein Wunder, ein Wunder! – der Kunde beschließt.
Ja, geht´s noch!
Starte deine Verhandlungen in aufrechter (Geistes-) Haltung: Nicht du bettelst um einen Auftritt, sondern dein Verhandlungspartner braucht Musik. So schaut´s aus.
Du bist das Angebot auf seine Nachfrage. Nicht umgekehrt.
Ich sag´s mal völlig unromantisch:
Für weisungsgebundenes Musizieren gelten, wie überall im Handel, „Geschäftsbedingungen“
Auch allgemeine, aber vor allem DEINE.
Jeder zahlt ohne mit der Wimper zu zucken einen Aufschlag auf den Grundpreis für
- Express-Lieferungen und Einschreiben
- das Hotelzimmer mit Bergblick statt zur Straße raus
- den Blockbuster in 3D und mit Überlänge
- die Semmel mit Mohn, die Brezel mit Käse, den Opa mit Hut (Häh?)
Und völlig klar ist auch, warum
- an der Tankstelle Super-Plus mehr kostet als Super
- das Sauna-Tagesticket mehr als das für 3 Stunden
- Bio-Eier mehr als die aus der Legebatterie
- und Steinway-Flügel mehr als Bio-Eier
So, und du verkaufst Musik
Du kannst Rabatte gewähren, auch erhalten kleine Gimmicks hier und da eine gute Geschäftsbeziehung, sicher.
Aber, mal ehrlich: Erwartest du von der Frau an der Kasse, dass sie selbstverständlich das Sauna-Tagesticket zum 3-Stunden-Preis rausrückt? Und drohst du ihr, sonst in eine andere Sauna zu wechseln?
Oder wie wär´s mit: „Lieber, guter Tankwart, bitte tu mir doch den Gefallen, wo ich ja auch gerade schon ganz viel Benzin bei dir getankt habe: Noch 10 Liter Super zum Diesel-Preis in den Reservekanister, ok?“
Ok?
Ich denke, ich kann mich jetzt zurück ziehen, den Rest machen du und dein Hirn selber.
Denkt mal drüber nach, ihr 2…
Fazit: Ich für meinen Teil bin dankbar für jeden Gig…
…der deshalb nicht zustande kommt, weil ein Bandleader auf den bei uns üblichen Handelskonditionen und angemessenen Gagen für (Kunst-) Handwerker-Fachkräfte besteht.
TOD DER SALAMI-TAKTIK!
Ach ja: Salami-Taktik. Meine prägende Erfahrung damit breite ich im nächsten Quartal an dieser Stelle aus. Wenn du hinschaust, auch direkt vor dir.
Es kommen ein Theater und Mohnsemmeln darin vor…
Jetzt bist du super-duper-gespannt, ist mir schon klar.
Sorry dafür. Mit den Wochen wirst du lernen, deine täglichen Verrichtungen auch ohne die Hand, an deren Fingernägeln du ab jetzt vor Aufregung knabberst, auf die Reihe zu bekommen.
Ich glaub an dich.
Bildnachweis
BirgitH / pixelio.de
Gerd Wauker
Okt 5, 2015
Das ist doch mal so richtig aus dem Leben gegriffen. Kommt mir seeehr bekannt vor. Und das Einzige, was hilft, ist Rückgrat. Lieber mal nein gesagt als sich zu prostituieren. Danke für den Artikel.
Gerd
volkergiesek
Okt 5, 2015
Bitte, keine Ursache, das Schreiben war für mich die reinste Therapie ;))
Danke für dein Feedback, Gerd.
Volker
Jürgen Braun
Okt 5, 2015
Hallo Volker,
echt klasse dein Artikel. Ich mach das schon seit Jahren. Denn ich bin Unternehmer. Doch die meisten Musiker können nicht aufhören sich „…für´n Appel und en Ei “ zu kaufen.
Es freut mich das du mit diesem Artikel den ein oder anderen aufgeweckt hast. Vielen Dank
Liebe Grüße
Jürgen
volkergiesek
Okt 5, 2015
Hallo Jürgen,
und mich freut´s, wenn das mit dem Aufwecken geklappt hat.
Manchmal ist es ja auch einfach gut zu wissen, dass man nicht allein ist 😉
Liebe Grüße
Volker
Max Weigel
Okt 6, 2015
Heyhey!
DAS ist der Volker, wie wir ihn kennen. Zugegeben, ich bekomme ständig die „VG News“ als Mail und habe mich noch nie wirklich mit deinem Blog auseinander gesetzt. Aber DAS musste ich einfach lesen! Hat Spaß gemacht und ich hoffe, es gibt irgendwann einen Weg aus diesem Strudel, in dem die Leute nicht gewillt sind, angemessen für Musik zu bezahlen und im Umkehrschluss die Musiker sich nicht unter ihrem Wert verkaufen!
Viele Grüße und ich hoffe, wir sehn uns bald mal wieder!
Max
volkergiesek
Okt 7, 2015
Hey Max,
wie schön, dass du diesmal vorbei geschaut und dich gemeldet hast.
Wir sehen uns, bestimmt, weil: Die Welt ist ein Dorf und darin München ja bekanntlich auch nur das größte.
Volker
Charles M. Mailer
Okt 6, 2015
Hervorragend,
mitten aus dem Leben. Man(n) könnte amüsiert sein, wenns nicht so real und traurig wäre. Leider verhalten sich viele Musiker“kollegen“ nicht wie Dienstleister/ Handwerker oder Geschäftsleute, obwohl die in Deinem Blog aufgezeigten Muster hinlänglich bekannt sind. Ich hab‘ da noch ein paar Ergänzungen:
– das unsägliche „eyh, spielt mal ÄiCie“…. erweiterbar auf „Könnt Ihr auch Freebird?“ oder …. „SMOKE ON THE WATER“ … Himmelsakrefix hallelujah NEIN! das wollen wir nicht mehr spielen….
– Unser Budget sind 3000,–€ – Ihr müsst Euch aber die Gage mit dem DJ teilen (??????? Hä ???, gehts noch). Hab‘ ich in Mathe in der Schule gepennt? Eine Liveband bestehend aus 6 Musikern bekommt das gleiche wie EIN DJ?? – ja und nee geht klar… alles über eine (unsere?) Anlage…. sowieso….
– Kneipenkonzert wir werden als Blues-Rockband gebucht…. alles läuft 3 Stunden lang wunderbar…. dann der Supergau: Die Bedienung kommt (ca. 20 Personen im Schlepptau)zur Bühne und fragt, ob wir für einen Stammgast das Lied „Indianer“ von Pur spielen können … (na gottseidank hat sich niemand „Atemlos“ gewünscht)… „Ohja, bitte, bitte – Ihr macht doch sooo tolle Musik … dann könnt Ihr das doch auch spielen ……“
Eines der erschütterndsten Erlebnisse im letzten Jahr: Wir (5 Mann Band mit eigener P.A, eigenem Transporter und Roadie) erhalten eine Anfrage für einen Auftritt (Feuerwehrfest) im südbadischen Raum. Wir machen die Offerte rasiermesserscharf am genannten Budget (Fahrtkosten, Anlagekosten alles einkalkuliert) – werden in Folge über vier Wochen hingehalten und erfahren dann, daß der Zuschlag an eine 10 Mann Band aus dem Raum Köln vergeben wurde …… für ca. 60% unserer Offerte. mmmmmh grübel, nachdenk. Wir brauchen diese Auftritte um unseren Lebensunterhalt mit zu finanzieren und müssen daher mindestens 50-80x im Jahr spielen (das ist Arbeit und nicht immer FUN)und die „Kollegen“ die den Zuschlag erhalten haben spielen exakt 5 – 10x pro Jahr….. und machen die Preise kaputt um überhaupt spielen zu können ….
genug gejammert … danke für Deinen Artikel
In Blues We Trust!
Charles M. Mailer
volkergiesek
Okt 7, 2015
Hallo Charles,
danke für deine toll-traurigen Ergänzungen.
Das mit den Kölner Kollegen, die mit 10 Mann für 60% eurer knapp kalkulierten 5-Mann-Gage spielen ist natürlich hammerhart. Aber für echte Musiker gibt es keine Alternative zur eigenen Qualität, und die hat ihren Preis.
Zum Thema „Wunschkonzert“: Neulich hat ein Kollege auf die Frage eines Gastes, ob die Band nicht „Take Five“ (das „Atemlos“ des Jazzmusikers) spielen könnte, ganz ernst und mit bedauernder Miene geantwortet: „Nein, leider nicht, denn das Stück gibt´s nicht mehr.“ Gefällt mir.
Volker
Chris @ Perfektes Fest
Okt 6, 2015
Super Beitrag hier … das Schlimme ist ja, dass sich viele Musiker preislich unterbieten … und dann gibt es auch noch die Hobbymusiker, die auf professionell machen, sehr billig sind und ihr Geld am Schreibtisch verdienen. Eine Mindestlohn für musikalische Dienstleistungen wär was!
volkergiesek
Okt 7, 2015
Hallo Chris,
ja, vielen reicht eben schon, wenn es die „Anmutung“ von Musik hat.
Mindestlohn ist gut. Geht in anderen Branchen auch, dort kämpfen allerdings starke Gewerkschaften für angemessene Löhne.
Eine Musiker-Gewerkschaft!
Volker
Gerd M. Schulz
Jul 18, 2018
Ich bin froh, dass ich nicht mehr auf die Bühne gehe, mich hat die Ignoranz und persönliche Nichtachtung der „User“ fertig gemacht. Man muss sich nur mal den brutto-Zeitaufwand ausrechnen, die ein Gig erfordert (Verhandeln, Location anschauen, Fahrt hin, Aufbauen, Wartezeiten, Abbauen, Fahrt zurück, Alles wieder in den Ü-Raum…) dann ist die Spielzeit für die der Kunde ja zahlt das Wenigste. Equipment und Vorbereitung nicht gerechnet. Ein Schweinejob. Zumal wenn man dann noch den Satz hört: Spuiz ihr aa was gscheids?
Ein herrlicher Artikel, lieber Volker, seit unseren Gigs mit NES keine Besserung…
Volker Giesek
Jul 19, 2018
Mensch Gerd, wie schön auf diesem Weg von dir zu hören und danke für deinen Kommentar!
Ja, mit dem Zeitaufwand hast du Recht, der steht sehr oft in keinem Verhältnis zur Gage. Und du sprichst ja nur von logistischen Dingen. Üben am Instrument, Komponieren, Arrangieren, Repertoire rekapitulieren, Bandproben sind da noch gar nicht mit dabei. Das ist natürlich auch der „Fun-Part“ und ohne den und die Bühne könnte ich mir mein Leben dann doch nicht vorstellen. Alter Junkie halt. 😉 Ich hab das für mich mit halber Dozentenstelle + Freiheit für „Kunst“ in der übrigen Zeit gelöst. Funktioniert.
Gabriele Skarda
Jul 18, 2018
Wie recht der Volker Giesek und Ihr anderen oben in den Komentaren doch alle habt! Bin seit 38 Jahren als Musikagentin national und international unterwegs, halte seit 20 Jahren Seminare im Musik- und Veranstaltugsbusiness und coache seit 15 Jahren Kulturschaffende (sowohl jene hinter der Bühne als auch die auf der Bühen von denen oben die Rede ist). Und habe mir tatsächlich eingebildet durch meine „weisen“ Ratschläge, Vorträge und Fachartikel diesen Zustand ein klein wenig zu ändern. Nix war´s ! Es gibt immer mehr „Künstler“, die sich unter Preis verkaufen oder gar umsonst auftreten. Es gibt Tonnen dieser „Freizeitbands“ die für „lau“ spielen und den Vollzeit-Musikern die Jobs weg nehmen. Und richtig, eine Musician Union muss her! Drum Ihr Musiker, die ihren Lebensunterhalt mit Musik machen verdienen und ihre Familien von diesem Einkommen ernähren, rauft Euch zusammen und gründet endlich eine Musiker Gewerkschaft! Holt Euch einen Berufsverband in´s Boot (gibt ja inzwischen genügend), setzt Euch mit der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft (Berlin) oder die örtlichen Vertretungen zusammen, aber steht endlich auf. Dann könnte man vielleicht auch etwas an der unsäglichen Arroganz der öffentl. rechtl. Sendeanstalten (insb. Radio) ändern, die schon lange an ihrem Medienauftrag vorbei arbeiten!!!
Volker Giesek
Jul 19, 2018
Liebe Gabriele, vielen Dank für deinen fundierten Kommentar.
Ja, und schade ist auch, dass viele Veranstaltern nur noch der Bilanz hörig sind und ihnen der Unterschied zwischen einer Gratis-Freizeit-Band und guten Musikern herzlich wurscht ist {wenn sie überhaupt in der Lage sind, ihn zu bemerken). Es sollte dabei aber auch klar sein, dass man mit dem ehrenamtlichen Mitarbeiter einer kleinen Jazzinitiative mit geringem Budget anders verhandelt als mit sagen wir Siemens oder Apple.
Das mit der Musikergewerkschaft wird Zeit und du erwähnst ja schon ein paar Möglichkeiten, sich Unterstützung zu holen. Ich selber bin z. B. in der UDJ (Union deutscher Jazzmusiker) und seit ewigen Zeiten im DRMV (Deutscher Rock- und Popmusikerverband) organisiert und kann das nur jedem empfehlen. Die Beiträge lohnen sich und machen uns Musiker stärker.
Und was deine Kritik an der musikalische Ausrichtung der gebührenfinanzierten (!) und mit Bildungsauftrag (!) versehenen Rundfunk- und TV-Sender betrifft, so sind wir uns auch da einig. Das wäre einen eigenen Artikel wert 😉
Gabriele Skarda
Jul 19, 2018
Sehr richtig Herr Giesek, gerade der DRMV mit seinem Vorsitzenden Ole Seelenmeyer wäre ein guter Ansprechpartner für eine solche Musiker Gewerksschaft.
Ausserdem sollten Sie Ihren Blog in die einschlägigen FB-Communities stellen die mit Musik und Kunst zu tun haben. Gerne sende ich Ihnen separat eine Aufstellen. Melden Sie sich einfach per email bei mir.
Schöne Grüße….
Volker Giesek
Jul 20, 2018
Ja, der DRMV und Ole Seelenmeyer unterstützen schon jetzt nach Kräften. Jeder Musiker sollte sich über Ziele und Leistungen solcher Verbände informieren, Einzelkämpfertum ist der falsche Weg.
Gerne schreibe ich eine Mail, um auf Ihr Angebot zurück zu kommen, danke! :))
Vincent Lewis
Jul 20, 2018
Jawohl, endlich sagt einer wie und wo es lang geht. Meine Rede! wir sind Musiker und keine Handwerker die 16,Euro pro Stunde verlangen (Grins)
Danke dafür Volker
,
Jul 20, 2018
Lieber Vincent, genau: Booking, Üben, Bandprobe, Equipment schleppen, Arrangieren, Komponieren, Büro, Promotion; Techniker, Motivations-Trainer, Conférencier, Logistiker, Lehrer, Konzeptentwickler, Projektmanager, Gute-Laune-Bär… (und dir fällt sicher auch noch was ein) = MUSIKER!
Andreas Rietz
Aug 5, 2018
Hallo Volker,
ich habe mich erkannt! Aber nicht ertappt, da ich es schon geändert habe. Ich bin ein Original und wem das egal ist, ok, aber ich gehe nicht mehr unter eine Grenze. Wenn ich mir alleine ausrechne, was meine Klamotten, Schuhe, die Reisekosten etc. im Jahr kosten, dann wird mir immer wieder bewusst, dass ich meinen Job nicht mit Herzblut mache um mich neu einzukleiden, sondern um gutes Geld zu verdienen und Spaß zu haben.
LG
Andreas
Volker Giesek
Aug 6, 2018
Hallo Andreas, danke für dein Feedback. Schön zu hören, dass du schon mit geradem Rückgrat dastehst. Genau: Wenn du in dein Bühnenoutfit investierst, dann ist das kein Selbstzweck, dann sind das „Betriebskosten“. Spaß UND gutes Geld – das ist der Idealfall, die Rechnung geht auf.